TECHNIK IN DER BRANDBEKÄMPFUNG

Besonderheiten von Brandschutzanlagen im Bestand

Text: Dr. Tobias Brinkmann | Foto (Header): © A Stockphoto – stock.adobe.com

Jährlich gibt es zahlreiche Neubauten, in denen der Brandschutz neu geplant und umgesetzt werden muss. Doch es gibt noch viel mehr Bestandsgebäude, deren Betreiber sich in der Pflicht sehen, den bestehenden Brandschutz zu prüfen und ggf. nachzubessern. Auch hier fällt häufig der Begriff Bestandsschutz – doch wie ist dieser bei der Anlagentechnik auszulegen? Wann findet er Anwendung  und wann muss doch Hand angelegt werden?

Auszug aus:

Der Brandschutzbeauftragte
Ausgabe Dezember 2021
Jetzt Leser werden

Bekanntlich steht der vorbeugende Brandschutz auf den drei Säulen des anlagentechnischen, baulichen und organisatorischen Brandschutzes, und es ist die Aufgabe des Brandschutzbeauftragten, diese drei Säulen, unter Berücksichtigung der jeweils objektindividuellen Gewichtung, aufrechtzuerhalten und zu stärken.

Bei Neubauten ist es zwischenzeitlich eine gut handhabbare Aufgabe. Die Rahmenbedingungen sind im Brandschutznachweis definiert, und dieser wurde umgesetzt. Jedoch ist dieser Zustand nur von kurzer Dauer. Im genutzten Bestand finden regelmäßig Änderungen der Nutzung oder gar ein Umbau statt, die technischen und rechtlichen Normen ändern sich, und manchmal verändern sich auch die Anforderungen des Betreibers. Nur der anlagentechnische Brandschutz ist meist noch so wie zu Beginn.

Grundsätzlich stellt dies auch keinen Grund zur Besorgnis dar, aber es ist darauf zu achten, besonders bei Anlagen, die sicherheitstechnischen Zwecken dienen. Das Feld dieser Anlagen ist breit gestreut und reicht von der Feststellanlage über die Sicherheitsbeleuchtung bis zur Brandmelde- oder Sprinkleranlage.

Prüfung der Anlagentechnik

Eine der Gemeinsamkeiten dieser Anlagen ist die Nennung in der Verordnung über Prüfungen von sicherheitstechnischen Anlagen und Einrichtungen (kurz SPrüfV). Innerhalb dieser Verordnung werden die Anlagen dann jedoch nochmal differenziert. Löschanlagen, Brandmelde- und Alarmierungsanlagen, Sicherheitsstromversorgung und Rauchabzugsanlagen sind durch zugelassene Sachverständige bei Neuerrichtung
und bei wesentlicher Änderung der Anlage auf Wirksamkeit und Betriebssicherheit zu überprüfen. Alle übrigen Anlagen werden in den gleichen Fällen durch Sachkundige überprüft. Daneben sind alle Anlagen im Abstand von drei Jahren erneut durch einen Prüfsachverständigen (Lösch- und Rauchabzugsanlagen) oder Sachkundigen (alle anderen Anlagen) zu überprüfen.

Dies dient der Aufrechterhaltung der Sicherheit, kommt jedoch leider meist im laufenden Betrieb deutlich zu kurz.
Oftmals ist es der Unkenntnis geschuldet, dass diese Wiederholungsprüfungen nicht rechtzeitig durchgeführt werden. Manchmal nutzen diverse Dienstleister diese Wiederholungsprüfungen jedoch auch als Umsatzgenerator und nehmen kostspielige Veränderungen aufgrund der sich geänderten Normen oder Empfehlung vor, auch wenn diese formal nicht erforderlich sind.

Bestandsschutz in der Brandschutz-Anlagentechnik

Grundsätzlich gibt es im Brandschutz den sog. Bestandsschutz, welcher selbstredend auch für den anlagentechnischen Brandschutz beansprucht werden kann. Die Grundanforderungen hierfür sind annähernd die gleichen.

Die geschützte Anlage muss zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme funktionell und normativ fehlerfrei gewesen sein, dann ist dieser Zustand eben auch geschützt und weiterhin nach den damaligen Regelungen zu bewerten.

Bestandsschutz: Beispiel Brandmeldetechnik

Ein passendes Beispiel hierfür ist die Brandmeldetechnik, für welche im Januar 2020 eine überarbeitete Normgebung erschien, ebenso wie einige zugehörige in den vorangegangenen Monaten. Der angesprochene Bestandsschutz ermöglicht es hier, die Anlage ohne großen Prüfaufwand weiter zu betreiben. Es muss eben nicht geprüft werden, welcher Teil einer Norm ggf. einer Änderung unterzogen wurde und wie sich dies auf die eigene Anlage auswirken könnte. Dies ermöglicht dem Betreiber bzw. Prüfer, eine belastbare Planung aus wirtschaftlicher und technischer Sicht aufzustellen und damit auch die Gewährleistung der Schutzziele der Anlage.

Wann erlischt der Bestandsschutz?
Im Regelfall erlischt der Bestandsschutz erst in dem Moment, in welchem die geschützte Anlage wesentlich geändert wird. Dann ist analog zum Bauordnungsrecht die eventuelle Ertüchtigung der gesamten Anlage erforderlich. Ein regelmäßig vorkommender Sonderfall, welcher zur Einschränkung des Bestandsschutzes führt, ist die Systemabkündigung des Herstellers.

Sicherstellung der Ersatzteilversorgung
Für alle sicherheitstechnischen Einrichtungen ist die Wirksamkeit und Betriebssicherheit oberstes Gebot, welches neben dem Betreiber auch durch Hersteller und Wartungsdienstleister gewährleistet wird.

Eine der ableitbaren Nebenpflichten für den Hersteller ist die Sicherstellung einer ausreichenden Versorgung mit Ersatzteilen für einen Mindestzeitraum. Dennoch endet zu einem bestimmten Punkt auch diese, da der Hersteller neuere und innovativere Systeme auf den Markt bringt, welche dann auch den Fortschritt der Normenlandschaft berücksichtigen.

Diese Ersatzteilversorgung ist jedoch die Basis für die sach- und fachgerechte Wartung und Instandhaltung der Anlage und in den meisten Fällen somit eine indirekte Anforderung an die Anlage aus den technischen Anschlussbedingungen der erstalarmierenden Stellen.

Abkündigung der Ersatzteilversorgung durch Hersteller
Vereinfacht dargestellt, in dem Moment, in welchem der Hersteller die Ersatzteilversorgung zu einem definierten Datum abkündigt, verändert sich der Bestandsschutz. Dieser endet eben nicht schlagartig zu o. g. Zeitpunkt, sondern schleicht sich quasi über einen Zeitraum nach der Abkündigung aus. Dies begründet sich darin, dass bis zu dem Abkündigungsdatum der Hersteller die Ersatzteilversorgung sicherstellen muss. Daher ist mit Ablauf dieser Pflicht der Lagerbestand nicht automatisch ausgeschöpft, sodass Ersatzteile auch nach diesem Zeitpunkt noch zur Verfügung stehen. Daraus lässt sich ableiten, dass für den Zeitraum, für den benötigte Ersatzteile noch verfügbar sind, ein „eingeschränkter Bestandsschutz“ ableitbar bleibt.

Diese Zeit ist zwingend dafür zu nutzen den Austausch der Anlage zu planen und technisch umzusetzen. In dem Moment einer Einschränkung der Funktionsfähigkeit und Funktionssicherheit der Anlage, in welchem keine Ersatzteile mehr zur Verfügung stehen, besteht kein Bestandsschutz mehr.

Erlöschen der Nutzungserlaubnis und des Versicherungsschutzes
Ferner wirkt sich die damit verloren gegangene Wirksamkeit und Betriebssicherheit der Anlage auch in anderen Bereichen aus. Im Fall einer bauordnungsrechtlich erforderlichen sicherheitstechnischen Anlage erlischt die Baugenehmigung und damit die Nutzungserlaubnis des Bauwerks.

Im Fall einer versicherungstechnisch veranlagten Anlage leidet der Versicherungsschutz unter diesem Umstand, weil der Versicherungsnehmer seine vertraglichen Obliegenheiten nicht erfüllt. Dies kann zu Leistungskürzungen bis hin zur Leistungsfreiheit seitens des Versicherers führen.

Diese beiden Punkte zeigen, wie wichtig es ist, die benannte Übergangszeit aktiv zu nutzen. Die arbeitsschutzrechtlichen Auswirkungen für diesen Abkündigungsfall sind hierbei nicht betrachtet, da sich der Arbeitsschutz dem Thema Bestandsschutz nicht aus demselben Blickwinkel nähert.

Der eben beschriebene beispielhafte Sachverhalt anhand einer Brandmeldelage ist für sich betrachtet nicht komplex und schwer zu bewerten. Meist sind die kleineren sicherheitstechnischen Anlagen wie Feststellanlagen oder auch  Rauchableitungen schwieriger, da hier sowohl mehr Unklarheiten bzgl. technischer Eckpunkte als auch tatsächlicher Ausführungen auftreten.

Bestandsschutz: Beispiel Feststellanlagen

Feststellanlagen sollen brandschutztechnisch qualifizierte Abschlüsse (Brandschutztüren) im regelmäßigen Betrieb offenhalten, die Selbstschlussfunktion des Abschlusses im Brandfall jedoch zulassen. Dafür verfügen die Feststellanlagen über eigene Branderkennungselemente, welche bei Detektion von Rauch die Offenhaltung aufheben.

Diese Rauchschalter unterliegen – wie auch Rauchmelder – einem lebenszeitbedingten Verschleiß durch Verschmutzung der Messkammer und müssen daher regelmäßig (nach fünf Jahren ohne Verschmutzungskompensation, ansonsten nach acht Jahren) getauscht werden.

Um dies zu planen ist es unerlässlich, den Sensortyp und den Inbetriebnahmezeitpunkt zu kennen. Meist sind diese Daten jedoch unbekannt. Dies führt dann zu der Fragestellung, ob und in welcher Ausprägung Bestandsschutz für diese Anlage beanspruchbar ist. Dies lässt sich ohne vernünftige Grundlage – in Form von Dokumentation – nicht abschließend klären.

Umgang mit unklarer Sachlage zum Thema Bestandsschutz
Aufgrund der Systematik des Bestandsschutzes kann dieser eben bei unklaren Sachverhalten nicht beansprucht werden. Es kann zur Datenerhebung sinnvoll sein, zusammen mit einer Fachkraft für Feststellanlagen zu prüfen, ob weitere Informationen generierbar sind.

Wann ein vertretbarer Zeitpunkt zum Austausch der Rauchschalter ist, kann nur im Einzelfall bewertet werden, wobei sich im Zweifelsfall ein zeitnaher Austausch empfiehlt. Leider führt dies in den meisten Fällen dazu, dass neben dem eigentlichen Detektor auch weitere Komponenten, meist der gesamte elektronische Teil der Feststellanlage, getauscht werden müssen. Daher ist es besonders wichtig, für die entsprechende Dokumentation zu sorgen, damit sich dieser Fehler für die Zukunft vermeiden und sich der Bestandsschutz daraus ableiten lässt.

Hierbei muss jedoch umsichtig vorgegangen werden, damit Änderungen an dem System nicht negativ in den Bestandsschutz z. B. der Tür eingreifen. Denn v. a. im anlagentechnischen Bestandsschutz ist fast ausschließlich von einem digitalen System, sprich Bestandsschutz = Ja/Nein auszugehen. Interpretationsbreiten sind so gut wie nicht vorhanden.

Ausführung einer falschen Verkabelung von Rauchableitungen
Dies hat bereits mehrfach zu Problematiken geführt. Klassisch ist die Ausführung einer falschen Verkabelung von Rauchableitungen. Diese wird oftmals in höherer Qualität ausgeführt, als es aus Sicht der Zulassung und des Bauordnungsrechts erforderlich ist. Prinzipiell ist dagegen nichts einzuwenden, außer eben aus Sicht des Bestandsschutzes.

Der kritische Punkt ist, dass diese Geräte meist mit einer Standardverkabelung geprüft und zugelassen werden. Weicht die verbaute Verkabelung jedoch von dem Bescheid ab, verliert dieser – zumindest im Bestandsschutz – seine Gültigkeit. Dies führt unumstößlich dazu, dass für die Anlage kein Bestandsschutz beansprucht werden kann, da diese eben nicht zulassungskonform errichtet war.

Regelmäßige Wartung und Inspektion
Ein weiterer kritischer Punkt in diesem Bereich ist die regelmäßige Instandhaltung wie Wartung und Inspektion.  Generell ist es für die einwandfreie technische und funktionelle Arbeitsweise der Anlage erforderlich, diese durchzuführen und auch zu dokumentieren. Nur über diese Dokumentation können die Dauer und die Fehlerfreiheit einer sicherheitstechnischen Anlage über einen längeren Nutzungszeitraum nachgewiesen werden. Fehlt dieser Nachweis, kann der Anlage maximal eingeschränkt die Wirksamkeit und Betriebssicherheit zugesprochen werden.

Inwiefern eine verzögerte oder übersehene Wirkung diese vollständig entfallen lässt, ist abhängig vom Anlagentypus und dessen Relevanz in der Gewährleistung der Schutzziele. Neben diesem Faktum ist im Schadensfall die Dokumentation notwendig, um die Erfüllung der Obliegenheiten gegenüber dem Versicherer nachweisen zu können.

Fazit

Auch für Anlagentechnik kann Bestandsschutz beansprucht werden, wenn sie zum Zeitpunkt der Errichtung und  Inbetriebnahme regelkonform waren, die Wartungen fristgerecht durchgeführt wurden und sie in sich nicht verändert wurde. Dieser Schutz ist wichtig, um Versäumnissen aus dem Versicherungsvertrag oder anderen Regularien vorzubeugen.

Der Autor

Dr. Tobias Brinkmann spezialisierte sich vor allem auf Brandschutz im Bestand, Industriebauten und Verfahren nach der BImSchV. Er ist seit 2016 als freier zertifizierter Sachverständiger für Brandschutz für öffentliche Auftraggeber, den Mittelstand und namhafte Konzerne planend, beratend und begleitend tätig.

JETZT ABONNENT WERDEN UND KEINE AUSGABE VERPASSEN:

Der Brandschutzbeauftragte

Praxismagazin zum organisatorischen Brandschutz im Betrieb