BRANDSCHUTZ SPEZIAL

Brandgefahren und Brandschutzmanagement in Kirchen

Text: Dipl.-Ing. Sylwester Kabat | Foto (Header): © Andreas Praefcke

Kirchen werden, trotz immer wieder entstehender Großbrände, vernachlässigt – in der Wahrnehmung von dort schlummernden Brandgefahren, in der brandschutztechnischen Ertüchtigung, beim Brandschutzmanagement. Es ist jedes Mal die Aufgabe der Pfarr- und Kirchengemeinde, in der Vertretung durch den Pfarrer, die Pastorin und den Kirchenvorstand, den Brandschutz für ein Kirchengebäude zu organisieren. Für die Erkennung von Brandgefahren sollte man sich externer Fachexperten bedienen und für die Organisation und Überwachung des Brandschutzes Brandschutzbeauftragte berufen.

Auszug aus:

Der Brandschutzbeauftragte
Ausgabe Juni 2022
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Kirchen sind Sakralbauten, zu denen auch Synagogen der jüdischen Gemeinden, Moscheen der Muslime, Tempel der Mormonen oder Hindus gehören und als solche durchaus den gleichen Kriterien wie Kirchen unterliegen. Eine Kirche dient in erster Linie dem Gottesdienst.

Die Widmung dem Gottesdienst ist auch das Hauptkriterium für die Beurteilung und Einordnung einer Kirche nach Baurecht, wonach die Kirchen nicht direkt den Vorschriften für Versammlungsstätten unterliegen.

In Deutschland stehen heute ca. 49.550 Kirchen, Gemeindezentren und Bethäuser. Ein großer Teil der bestehenden Kirchen sind historische Bauten unter Denkmalschutz. Geschützt wird das Gebäude als solches wie auch die nicht selten kunstgeschichtlich sehr bedeutende Innenausstattung. Herausragend in einer Stadtsilhouette und in der kunstgeschichtlichen Bedeutung sind in Deutschland v. a. die Dome, Münster und Kathedralen. Zusammen mit den Stiftskirchen und den Abteikirchen sind es auch die größten Kirchen in Deutschland.

Aufbau christlicher Gemeindezentren
Seit dem 19. Jahrhundert werden christliche Gemeindezentren gebaut. Das Besondere an einem Gemeindezentrum ist die Konzentration aller Räume einer Kirchengemeinde, einschließlich des Gottesdienstraums, in einem Ensemble. Die freikirchlichen evangelischen Kirchen und Brüdergemeinden nennen ihre Kirchenbauten Bethäuser. Neben dem Gottesdienstraum (Betsaal) beinhalten die Bethäuser noch einen Versammlungsraum (Speisesaal) und mehrere Nebenräume.

Brandvergangenheiten der Kirchen
Die in Deutschland stehenden Kirchen gehören allen historischen Bauepochen und Baustilen an. Viele Kirchen in Deutschland haben inzwischen ihre eigene Brandgeschichte. Nicht nur in den großen Domen oder Stiftskirchen gab es mehrmals im Laufe ihrer Geschichte kleinere und große Brände. Die Feuer brachten Zerstörungen und schmerzhafte Verluste an der wertvollen Ausstattung und auch an der Bausubstanz der Kirchen. Danach erfolgten neue Bauphasen der in der Zeit des Wiederaufbaus herrschenden Baustile.

Brandgefahren aus Sicht der Feuerwehr

An und in vielen Kirchen lassen Zustände und bauliche Gegebenheiten schnell erkennen, dass die Regeln des Brandschutzes in den Kirchengebäuden nicht immer beachtet werden bzw. wurden. Gemeint sind u. a. folgende Zustände, die eine erhöhte Brandgefährdung für eine Kirche darstellen und die v. a. die Feuerwehr vor Herausforderungen stellen:

■ Erschwerte Angriffswege, Zufahrten und Aufstellflächen für die Feuerwehr verzögern den Löscheinsatz.
■ Die brennbare Ausstattung und die Bauteile aus Holz und Kunststoffen führen zur schnellen Brandausbreitung in Kirchen.
■ Fehlende oder unzureichende Rauch- und Wärmeabzugsmöglichkeiten aus den Kirchenschiffen erschweren den Lösch- und Bergungseinsatz und erhöhen die Zerstörungsgefahr für die Ausstattung der Kirchen.
■ Fehlende oder brandschutztechnisch unwirksame Abtrennungen zwischen den Hauptteilen einer Kirche, insbesondere zwischen den Türmen und Dachräumen über den Kirchenschiffen begünstigen wesentlich die Brandausbreitungsgefahr.
■ Nicht ausreichend gesicherte Rettungswege, bspw. aus den Aufenthaltsräumen in Kirchtürmen oder Emporen, aber auch aus Kirchenschiffen, erhöhen die Gefahr der Personengefährdung.
■ Brandeinsätze werden verzögert wegen nicht vorhandener automatischer Brandmeldeanlagen, insbesondere in unter Denkmalschutz gestellten Kirchen.

Statistik: Brandgefahren im Überblick
Aus den gesammelten Daten über Kirchenbrände in Deutschland von 1949 bis 2020 ergibt sich, dass die meisten Brände durch vorsätzliche Brandlegung (Brandstiftung, ca. 50 %), Fahrlässigkeit der Kirchenbesucher und des Personals im Umgang mit offenem Feuer (ca. 15 %) und infolge von technischen Defekten, meistens von elektrischen Geräten und Anlagen (ca. 15 %) entstehen. Als Zündquelle dient meistens das Zündholz oder das Feuerzeug (ca. 36 %), eine Kerze (ca. 17 %) oder die elektrische Energie (ca. 16 %). Es ist unverkennbar, dass die größten Zerstörungen und Verluste in Kirchen die Kirchengroßbrände verursachen. Nicht zu vernachlässigen sind jedoch in Kirchen auch die kleineren Feuer und Brände, die sich zwar nicht zu größeren Bränden ausdehnen, jedoch an der Ausstattung einer Kirche ebenfalls schmerzliche Schäden insbesondere durch Rußablagerungen verursachen.

Die meisten Brände in Kirchen entstehen in Kirchenschiffen (27 %). Hier ist überwiegend der Mensch der Verursacher. Dies ergibt sich aus der deutlichen Zunahme von Brandstiftungen in den letzten Jahren, die überwiegend in offen zugänglichen Kirchenschiffen verübt werden. An zweiter Stelle liegen Brände im Bereich der Kirchendächer (ca. 14 %).

Brandschutzmanagement

Gegen diese Gefahren der Brandentstehung ist in einer Kirche vorzugehen. Die Vorsorge in Kirchen sollte in erster Linie in Richtung Vermeidung und Bekämpfung der häufigsten Brandursachen gehen, und zwar bezüglich Zündquellen wie auch Zündursachen. Es sollten in Kirchen Maßnahmen und technische Vorkehrungen vorgenommen werden, die es erlauben, dass

■ vorsätzliche Brandstiftungen wesentlich erschwert werden,
■ vom offenen Feuer, insbesondere von brennenden Kerzen, Brandentstehungsgefahren deutlich reduziert werden,
■ elektrische Betriebsmittel und Anlagen gewartet und nur im betriebssicheren Zustand genutzt werden,
■ Bau- und Reparaturarbeiten, insbesondere an Kirchendächern, unter Einhaltung aller Vorsichtsregeln durchgeführt werden und
■ Blitzschutzanlagen installiert, regelmäßig geprüft und ggf. repariert werden.

Dies sollte in einem Brandschutzmanagement in einer Kirchengemeinde organisiert werden, in dem dann auch bauliche und anlagentechnische Brandschutzmaßnahmen initiiert und ausgeführt werden.

Aufgabenfeld des Brandschutzmanagements
Zum Aufgabenfeld des Brandschutzmanagements können folgende Aufgaben gehören:

■ Erstellung und Überwachung der Brandschutzordnung
■ Organisation der Unterweisung des Kirchenpersonals in Brandschutzfragen und Handhabung von Feuerlöschern
■ Erstellung von Regeln für die Kerzennutzung
■ Überwachung der Lager- und Abstellräume sowie aller anderen Bereiche der Kirche in Hinblick auf das Abstellen von Gegenständen und das Lagern von Materialien
■ Erstellung von Flucht- und Rettungsplänen sowie Feuerwehrplänen
■ Kontrolle der Freihaltung von Rettungswegen in der Kirche
■ Kontakt in Fragen des Brandschutzes mit der zuständigen Brandschutzdienststelle und Feuerwehr
■ Beratung bei feuergefährlichen Arbeiten (Dacharbeiten, Schweißen) am Kirchengebäude
■ Melden von Brandschutzmängeln in der Kirche und Vorschlagen von Maßnahmen zu deren Beseitigung sowie Überwachung der Mängelbeseitigung
■ Organisation der Prüfung und Wartung von brandschutztechnischen Einrichtungen und sonstigen technischen Anlagen und Geräten

In vielen Kirchen sollten zur Vermeidung von Bränden und v. a. Verhinderung der Brandausbreitung auch nachträglich bauliche und technische Brandschutzmaßnahmen ausgeführt werden. Dazu gehören insbesondere folgende:

■ Einbau von Feuerschutztüren zwischen Kirchtürmen und Dachböden
■ Installation von Löschleitungen bis auf die Dachböden und in die Türme
■ Installation einer automatischen Brandmeldeanlage mit Rauchmeldern und Feuerwehrschlüsseldepot
■ Ertüchtigung bzw. Errichtung von Rettungswegen aus Kirchenschiffen (Ausgänge), Emporen (Treppenräume) und Kirchtürmen (Treppen)
■ Verbesserung der Zufahrten und Aufstellflächen vor der Kirche für den Feuerwehreinsatz

Brandschutzbeauftragte

In jeder Kirchengemeinde und auch auf der Ebene der Landeskirche bzw. Diözese sollte der Brandschutz generell organisiert und geregelt sein. Wenn auch die verantwortlichen Stellen und Personen für ein konkretes Kirchengebäude (Pfarrer, Kirchenvorstand) bekannt sind, so können sie sich nicht tagtäglich um die Brandsicherheit in ihrer Kirche kümmern und schon gar nicht alle fachlichen Kenntnisse zum Brandschutz besitzen.

Es ist deswegen empfehlenswert, eine Person in der Kirchengemeinde als Brandschutzbeauftragten zu finden, die den Zustand des Kirchengebäudes, das Verhalten der Kirchenbesucher und des Kirchenpersonals in der Kirche in Hinblick auf Brandgefahren im Auge behält. Insbesondere in größeren Abteien und Kommunen, mit intensiver Nutzung durch Gäste und mit Klosterbetrieben ist ein Brandschutzbeauftragter zu berufen.

Der Autor

Dipl.-Ing. Sylwester Kabat ist Brandamtsrat a. D. Er war bei der Berufsfeuerwehr und als Brandschutzingenieur in der Industrie und Kommunalverwaltung tätig. Außerdem ist Herr Kabat Fachplaner und Freier Sachverständiger für Brandschutz in Baudenkmälern und Sakralbauten. Er dozierte viele Jahre u. a. an der Ingenieurkammer-Bau NRW und bei EIPOS (TU Dresden) und veröffentlichte über 100 Werke, insbesondere zum vorbeugenden und baulichen Brandschutz in Baudenkmälern, Bestandsbauten und Kirchen.
www.kirchenbrandschutz.info

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