BRENNPUNKT

Garagenverordnung – Elektromobilität im Baurecht

Text: Carsten Willmann | Foto (Header): © Wellnhofer Designs – stock.adobe.com

Mit dem Ziel, dass ab 2035 nur noch klimaneutrale Neuwagen auf den Markt gelangen und bis dahin mehr und mehr auf E‑Mobilität umgestellt wird, müssen auch jegliche Infrastrukturen rund um E‑Fahrzeuge geprüft und ggf. angepasst werden. Hierzu zählen auch Ladestationen und Garagen. Im September 2020 ist zuletzt der Entwurf der Garagenverordnung erschienen, mit dem man sich Handlungsanleitungen bzw. neue Richtlinien mit Fokus auf E‑Mobilität erhofft hat. Dies ist allerdings nicht geschehen – doch wie geht man nun mit diesem Thema um? Besteht tatsächlich Handlungsbedarf und wer ist dafür zuständig?

Auszug aus:

Der Brandschutzbeauftragte
Ausgabe Dezember 2022
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In der aktuellen Tagespresse sind zum Thema Elektromobilität oft verstörende Überschriften wie „Erhöhte Brandgefahr bei E‑Autos?“ oder „E-Auto-Brand zerstört Wohnhaus“ zu lesen. Brennende E‑Autos sind im Fernsehen oder auf YouTube an der Tagesordnung und stehen im Fokus des Interesses. Es gibt einige Interessengruppen, die aufgrund einer vermeintlichen Brandgefahr die Elektromobilität infrage stellen oder die Marktreife anzweifeln.

Im Folgenden Artikel soll ein Überblick über die aktuelle Entwicklung und den Stand der Rechtsvorschriften mit Blick auf den Brandschutz bzw. das aktuelle Baurecht in Deutschland gegeben werden.

Entwicklung des Markts – Förderprogramme

In Deutschland sollen bis 2030 7 bis 10 Mio. E-Fahrzeuge zugelassen werden. Dafür gibt es Förderprogramme, die die Marktdurchdringung für Elektrofahrzeuge aller Art (Hybrid, Vollelektrisch) beschleunigen sollen. Zum Ende des Jahres 2021 waren in Deutschland ca. 2,2 Mio. Elektrofahrzeuge zugelassen. Darin enthalten sind auch alle anderen Antriebsarten wie Hybrid und Mild-Hybrid. Gemäß der Mitteilung des Kraftfahrtbundesamts waren 43 % aller Neuwagen E-Fahrzeuge.

Ebenfalls ist eine Förderung aufgelegt worden, um die benötigte Ladeinfrastruktur zu schaffen. Ladestationen (sog. Wallboxen) werden gefördert, damit der Nutzer die Fahrzeuge auch auf Parkplätzen und in Garagen laden kann. 1 Mio. Ladepunkte sollen bis 2030 installiert werden.

Die Notwendigkeit der Montage von Ladeeinrichtungen wird also in allen Bereichen relevant: in der Tiefgarage genauso wie im öffentlichen Parkraum, im Einkaufszentrum oder im oberirdischen Parkhaus.

Bauliche Vorschriften

Aufgrund der umfangreichen, oft negativen und polarisierenden, Pressemeldungen über brennende Elektrofahrzeuge, haben die Betreiber oder Eigentümer von Immobilien einen hohen Aufklärungsbedarf. Aber wen muss man fragen? Welche Vorschriften gelten?

Baurecht = Ländersache
In Deutschland ist Baurecht Ländersache, d. h., das Baurecht wird in den jeweiligen Bundesländern festgelegt. Übergeordnet wird von der Bundesbauministerkonferenz eine Musterbauordnung (MBO) erarbeitet, die von den Bundesländern übernommen werden kann. Dies haben einige Bundesländer getan, einige mit und einige ohne Änderungen. Dies gilt ebenfalls für sog. Sonderbauten. Dies sind eigenständige Bauvorschriften, die die Landesbauordnung ergänzen bzw. konkretisieren und für spezielle Gebäude wie z. B. Parkhäuser Erleichterungen schaffen, da die normale Bauordnung im Schwerpunkt für den Wohnungsbau erlassen wurde.

Garagenverordnung
In Deutschland gilt i. A. die jeweilige Garagenverordnung des jeweiligen Bundeslandes. Es gibt also 16 Garagenverordnungen, die im Fall eines Neubaus beachtet werden müssen. Für eine bestehende Garage gilt aber immer zuerst die Baugenehmigung mit den dort beschriebenen Auflagen. In der Regel wurde bei einer genehmigten Garage zur Beurteilung dann auch die Garagenverordnung herangezogen.

Bestandsschutz in bestehenden genehmigten Gebäuden
Für ein genehmigtes Gebäude (z. B. eine Garage) hat der Eigentümer immer einen sog. Bestandsschutz, wenn die Garage zum Zeitpunkt der Genehmigung korrekt und mangelfrei errichtet wurde und die Auflagen der Genehmigung eingehalten wurden. Ändern sich das Gebäude und die Nutzung nicht, gilt immer die letzte rechtsgültig erteilte Baugenehmigung. Bestandsschutz kann mitunter eine komplizierte Thematik werden. Bei Fragen rund um die Garage ergibt es immer Sinn, von einem Brandschutzsachverständigen prüfen zu lassen, ob Bestandsschutz besteht und welche Rechtsgrundlage für die Fragestellungen gilt.

Regelungen für E‑Fahrzeuge in einer Garage

Im Folgenden werden Paragrafen der Musterbauordnung (MBO) herangezogen, diese sind in der Regel in den Bauordnungen der Länder sinngemäß ebenfalls zu finden.

M-GarVO, MBO, MVV TB
Nach den Begriffsdefinitionen unter § 2 Abs. 7 MBO sind Garagen Gebäude oder Gebäudeteile, welche zum Abstellen von Kraftfahrzeugen dienen. Eine Ergänzung zur MBO bildet die Verordnung über den Bau und Betrieb von Garagen (Muster-Garagenverordnung – M-GarVO), in welchen zusätzliche Anforderungen gestellt oder aber auch Erleichterungen gegenüber den Anforderungen der MBO gestattet werden. Die M-GarVO ist über die Muster-Verwaltungsvorschrift technische Baubestimmungen (MVV TB) baurechtlich eingeführt. Dies ist in den Bundesländern jeweils analog geregelt. In Baden-Württemberg z. B. ist die Garagenverordnung (GaVO) über die VWV TB baurechtlich eingeführt.

Weder die M-GarVO noch die insgesamt 16 landesrechtlichen Regelungen für den Bau und Betrieb von Garagen unterscheiden zwischen den verschiedenen Antriebsarten von Kraftfahrzeugen (Benzin-, Diesel-, Gas-, Elektro-, Hybrid- oder Wasserstoffantriebe), sodass aus bauordnungsrechtlicher Sicht Kraftfahrzeuge unabhängig von deren Antriebsart innerhalb von Garagen uneingeschränkt abgestellt werden dürfen.

Fahrzeuge gem. StVG
Fahrzeuge, die entsprechend StVG definiert sind, sind somit Kraftfahrzeuge und dürfen demnach in einer Garage betrieben und abgestellt werden. Zu dem Betrieb eines E-Fahrzeugs zählt auch der Ladevorgang. Zu Kraftfahrzeugen zählen auch sog. Pedelecs (E-Bikes mit Versicherungskennzeichen).

Fahrräder ohne Antrieb i. S. d. Straßenverkehrsgesetzes dürfen nicht in einer Garage abgestellt werden. Dies muss in entsprechend brandschutztechnisch abgetrennten Räumen erfolgen. Üblicherweise werden hierfür baurechtliche Abweichungen beantragt, die Stellplätze in der Garagenfläche zulassen. Aber diese formale Zustimmung muss durch die Baurechtbehörde im Rahmen des Baugenehmigungsverfahren durchgeführt werden.

Explizite baurechtliche Vorgaben, die den Brandschutz betreffen, gibt es für Elektrofahrzeuge in den 16 verschiedenen Garagenverordnungen nicht. Aktuell wird gerade ein Entwurf der MBO verabschiedet, der einige Änderungen beinhaltet. In diesem Entwurf mit dem Arbeitsstand 04.09.2020 sind keine brandschutzrelevanten Änderungen bzgl. des Abstellens bzw. Parkens und Ladens von E-Fahrzeugen beschrieben.

In Baden-Württemberg wurde im Dezember 2021 eine neue Garagenverordnung eingeführt. Auch diese enthält keine weitergehenden baurechtlichen Anforderungen, die sich auf Elektrofahrzeuge beziehen.

Der Gesetzgeber sieht also keine Notwendigkeit, spezielle brandschutztechnische Regelungen für Elektrofahrzeuge zu erlassen. Bestehende Garagen haben wie oben beschrieben Bestandsschutz.

§ 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG)
Kraftfahrzeuge sind im § 1 des Straßenverkehrsgesetz (StVG) wie folgt definiert:
§ 1 Zulassung
(1) Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger, die auf öffentlichen Straßen in Betrieb gesetzt werden sollen, müssen von der zuständigen Behörde (Zulassungsbehörde) zum Verkehr zugelassen sein. Die Zulassung erfolgt auf Antrag des Verfügungsberechtigten des Fahrzeugs bei Vorliegen einer Betriebserlaubnis, Einzelgenehmigung oder EG-Typgenehmigung durch Zuteilung eines amtlichen Kennzeichens.
(2) Als Kraftfahrzeuge im Sinne dieses Gesetzes gelten Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein.
(3) Keine Kraftfahrzeuge im Sinne dieses Gesetzes sind Landfahrzeuge, die durch Muskelkraft fortbewegt werden und mit einem elektromotorischen Hilfsantrieb mit einer Nenndauerleistung von höchstens 0,25 kW ausgestattet sind, dessen Unterstützung sich mit zunehmender Fahrzeuggeschwindigkeit progressiv verringert und
1. beim Erreichen einer Geschwindigkeit von 25 km/h oder früher,
2. wenn der Fahrer im Treten einhält,
unterbrochen wird. Satz 1 gilt auch dann, soweit die in Satz 1 bezeichneten Fahrzeuge zusätzlich über eine elektromotorische Anfahr- oder Schiebehilfe verfügen, die eine Beschleunigung des Fahrzeuges auf eine Geschwindigkeit von bis zu 6 km/h, auch ohne gleichzeitiges Treten des Fahrers, ermöglicht. Für Fahrzeuge im Sinne der Sätze 1 und 2 sind die Vorschriften über Fahrräder anzuwenden.

Rechte der Betreiber

Grundsätzlich muss man natürlich beachten, dass zwar ein Elektrofahrzeug per Baurecht in einer Garage stehen darf, aber der Betreiber oder Eigentümer durchaus das Einfahren bzw. die Nutzung untersagen darf. Dieses Hausrecht hat schließlich jeder Eigentümer oder Betreiber, und es kann durch ihn beliebig gestaltet werden.

Aber besteht nicht vielleicht doch Handlungsbedarf? Gibt es andere Forderungen nach Anpassungen der brandschutztechnischen Infrastruktur? Dazu im Folgenden ein kurzer Einblick in Brände von Elektrofahrzeugen:

In der öffentlichen Wahrnehmung brennen aktuell fast ausschließlich Elektrofahrzeuge. Nach dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) gibt es Statistiken, die aber von ca. 40.000 brennenden Verbrennerfahrzeugen jährlich ausgehen. In Deutschland sind hierzu leider noch keine Statistiken verfügbar. Allerdings muss man auch beachten, dass die Gesamtanzahl von E-Fahrzeugen am Gesamtbestand zzt. eher gering ist und die Mehrzahl Verbrennerfahrzeuge sind. Zudem spielt das Fahrzeugalter eine Rolle, da die Technologie der Elektrofahrzeuge neu ist, sind diese Autos sicher in besserem Zustand als lang genutzte Verbrennerfahrzeuge, und Effekte wie mangelhafte Wartung und Verschleiß machen sich nicht so stark bemerkbar.

Tesla hat aufgrund zahlreicher Presseberichte über brennende Fahrzeuge selbst eine Auswertung gestartet und kam zu dem Ergebnis, dass im Zeitraum von 2012 bis 2020 durchschnittlich alle 329,9 Mio. gefahrenen Kilometer ein Tesla brannte. Daten zu Fahrzeugen mit Verbrennermotoren nennen für 2018 in den USA einen PKW-Brand alle 28,6 Mio. Kilometer.

Elektro- und auch Verbrennerfahrzeuge brennen nicht ohne Grund. Doch warum diese brennen bzw. wie ein Brand abläuft, welche Risiken im Betrieb bestehen und wie sich der Brandschutzbeauftragte hier einbringen kann und muss, finden Sie im Beitrag „Brandschutzkonzepte für Ladeinfrastruktur und Elektro-Parkräume“ auf Seite 12 sowie im Brennpunktbeitrag der Februar-Ausgabe 2023.

Rechte der Sachversicherer

Wie oben dargestellt, gibt es keine baurechtlichen Einschränkungen zum Abstellen von Elektrofahrzeugen. Es sind Vorgaben seitens eines Sachversicherers denkbar. Im Zweifelsfall sollte man vor der Installation einer Ladeinfrastruktur den Versicherer kontaktieren und das Vorhaben abstimmen.

Möglichkeiten für höheres Sicherheitsniveau

Möchte man das Sicherheitsniveau erhöhen, können folgende Hinweise hilfreich sein:
■ Installation der Ladestationen von Fachunternehmen nach den Vorgaben der Hersteller.
■ Regelmäßige Wartung und Überprüfung der Ladeinfrastruktur.
■ Keine Lagerung von Brandlasten im Bereich von Fahrzeugen und Ladestationen. Dies ist nach der Garagenverordnung untersagt.
■ Überwachung der Ladebereiche mittels automatischer Brandmelder, Kenngröße Rauch: Dies führt zu einer schnellen und verlässlichen Alarmierung der Feuerwehr. Allerdings ist die Installation in einem Gebäude, in dem nicht schon eine Brandmeldeanlage installiert ist, sehr kostenintensiv.
■ Anordnung der Ladeplätze im Bereich der Zufahrt. Dies führt zu einer besseren Zugänglichkeit der Einsatzkräfte.
■ Anordnung der Stellplätze im Bereich von Lichtschächten zur besseren Rauch- und Wärmeableitung.
■ Verfügbarkeit von Löschwasser im Bereich der Ladeinfrastruktur mittels Wandhydranten oder Entnahmestellen sicherstellen. Hier ist eine Absprache mit der Brandschutzdienststelle sinnvoll, um den geeigneten Standort festzulegen, der zur Einsatztaktik der Feuerwehr passt.

Es wird aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dies nur Hinweise sind. Der Autor gibt zu bedenken, dass aktuell vielleicht nur wenige Stellplätze mit Elektrofahrzeugen belegt und Ladestationen ausgestattet werden. Es ist aber bei den steigenden Zulassungszahlen zu erwarten, dass bald mehrheitlich Elektrofahrzeuge geparkt werden. Die oben aufgeführten Empfehlungen sind dann nicht mehr sinnvoll umsetzbar. Es wird erwartet, dass zukünftig die baurechtlichen Vorgaben den steigenden Zahlen von Elektrofahrzeugen angepasst werden.

Fazit

Es gibt keine baurechtlichen Vorgaben zum Parken und Laden von Elektrofahrzeugen in Garagen, die nach der Garagenverordnung bewertet wurden. Es gibt Möglichkeiten, das Sicherheitsniveau zu erhöhen, wenn dies aus privatwirtschaftlichen Erwägungen gewünscht wird.

Der Autor

Carsten Willmann ist Diplom-Bauingenieur (FH) und hat als Bau- und Projektleiter bei mehreren Generalunternehmern umfangreiche Erfahrungen im Hochbau gesammelt. Er ist aktuell als Geschäftsführer eines deutschlandweit tätigen Ingenieurbüros mit Standorten in Hamburg, Nürnberg Erfurt und Stuttgart tätig. Er ist Sachverständiger im vorbeugenden und abwehrenden Brandschutz und Mitglied der Ingenieurkammer BW und in der Fachgruppe Brandschutz aktiv. c.willmann@sigra.de

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