FEUERLÖSCHSPRAYS IN DER PRAXIS

Nutzen und Einsatzmöglichkeiten

Text: Dr.-Ing. Wolfang J. Friedl | Foto (Header): © tutye – stock.adobe.com

Ein Unternehmen aus Hamburg entwickelte vor einigen Jahren die Sprühdosen zum Löschen. Diese sollten die bisher erhältlichen Handfeuerlöscher in der Größe ergänzen. Doch bringen sie tatsächlich den gewünschten Nutzen? Und sind sie als Löschmitteleinheiten anrechenbar?

Auszug aus:

Der Brandschutzbeauftragte
Ausgabe Juni 2019
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Vor über 25 Jahren wurden zum ersten Mal neben den Sprinkleranlagen auch Wassernebelanlagen angeboten: 90-95 % weniger Wasser hatte die gleiche Löscheffektivität – eine Revolution, weil man mehr Einsatzbereiche für Wasser zum Löschen hatte (z. B. EDV-Anlagen, Stromkabel, …) und zugleich auch deutlich weniger Löschwasserschaden! In einigen Bereichen sind diese Anlagen durchaus sinnvoll, aber nicht überall möglich, da sie deutlich sensibler, aufwendiger und damit teurer sind. Der Grund der erhöhten Löscheffektivität ist, dass man die Relation Oberfläche zu Volumen in Richtung „Brandschutz“ verbessert hat und mit den feinen, zerstäubten Tröpfchen deutlich effektiver löschen kann.

Andererseits kann man feinste Tröpfchen nicht mehr so weit werfen wie größere, d. h., man muss mehr Löschdüsen anbringen, die Thermodynamik (Auftrieb bei einem Brand) berücksichtigen, und die feinen Wasseraustrittsöffnungen dürfen nicht verkalken.

 

Ergänzung der Handfeuerlöscher

Dann dauerte es noch mal einige wenige Jahre, und ein findiges Unternehmen aus Hamburg kam auf die Idee, Handfeuerlöscher (in der Größe, nicht im Niveau!) um Lösch-Spraydosen zu ergänzen. Diese Sprühdosen zum Löschen sind, damals wie heute, so einfach wie Deospray, Haarlack oder Farblack aus den Dosen anzuwenden, und sie nutzen die feine Verteilung der wässrigen Schaumlösung deutlich effektiver als die großen Tröpfchen aus Wasser- oder Schaumlöschern. Man weiß ja schon lange, dass es die Energie von X kostet, um Wasser von 0 °C auf 100 °C zu bringen – um aber die gleiche Menge Wasser nun von 100 auf 101 °C zu bringen (also es komplett zum Verdampfen zu bringen), braucht wenn man ungefähr die zehnfache Energie!

Jeder kann diesen Versuch zu Hause in der Küche nachstellen: Man nehme einen Topf mit sehr kaltem Wasser (egal, wie viel oder wenig drin ist) und gebe noch ein paar Eiswürfel hinzu: Somit hat man ca. 0 °C Wassertemperatur. Und nun dreht man die Herdplatte voll auf und stoppt die Zeit, bis das Wasser kocht (z. B. 1 l Wasser in 5 Minuten). Dann lässt man die Herdplatte auf höchster Leistung und stoppt die Zeit, bis der Topf komplett trocken ist, und das wird ca. das Zehnfache sein (1 l Wasser  erzeugt ca. 1.700 l Wasserdampf, die Küche wird anschließend wie ein abgekühltes Dampfbad aussehen!).

Somit ist bewiesen, dass das Erwärmen von Wasser wenig Energie kostet – aber Wasser zu zwingen, seinen physikalischen Zustand von „flüssig“ in „gasförmig“ (bzw. dampfförmig) zu ändern, das kostet richtig viel Energie. Diese physikalisch-wissenschaftliche Tatsache bedeutet in der brandschutztechnischen Realität, dass man Wasser möglichst zum Verdampfen bringen muss, will man effektiv löschen, denn dann entzieht es dem Brandgut wesentlich mehr Energie als das Wasser, das „nur“ warm geworden ist. Das Wasser, das man nach einem Löschen noch sieht, trug zum Nebenlöscheffekt bei – das verdampfte Wasser leistete über 90 %! Das Gleiche gilt für verdunsteten Schweiß – der kühlt so stark ab, dass man auch über Stunden (wenn man genügend Flüssigkeit aufnimmt) Umgebungstemperaturen von über 50 °C gefahrlos übersteht.

 

Funktionsweise von Löschspraydosen

Und so funktionieren Lösch-Spraydosen, denn sie bringen das Löschmittel äußerst fein, bzw. sparsam aus und direkt auf den Brandherd auf. Da die Spraydosen eine schaumartige bzw. wässrige Lösung (heute noch meist AFFF) enthalten, bleibt das Löschmittel auch mehr an der Oberfläche „kleben“ und dringt (wenn das vom Brandgut ermöglicht wird) in sie ein, d. h., es löscht effektiver als reines Wasser. Übrigens, mit einem Gartengerät, das Wasser zerstäubt (so was kauft man, um mit einem Zusatzmittel gegen Ungeziefer und unter Druck – der durch Pumpen entsteht – z. B. Blattläuse abzutöten), kann man auch äußerst effektiv löschen! Und es dauert vielleicht fünf Minuten, bis man 5 l Wasser aus dem Gerät ausgebracht hat – ein Handfeuerlöscher wäre nach vielleicht 20 Sekunden leer geblasen!

So ein Gerät mit z. B. 5 l ist, wenn man die feinsten Wassertröpfchen gezielt anbringt, ungefähr achtmal so effektiv wie ein Handfeuerlöscher mit 6 l bzw. 6 kg Löschmittel! Und der nächste Vorteil ist, dass dieses Gerät keine Wartung braucht und sehr preiswert ist. Nun hat die Sache aber (noch) einen Haken: Der Gesetzgeber fordert in der ArbStättV von Unternehmen, dass es – bzw. sobald eine Brandgefahr nicht unmöglich ist – dem Willen unterworfene Lösch geräte nach DIN EN 3 geben muss, und er konkretisiert in der ASR A2.2, wie diese auszusehen haben und wie sie gewartet werden müssen. U. a. wird gefordert, dass man sie prüfen können muss, dass sie mehr als 1 LE haben müssen, und somit sind die eben erwähnten „Insektenpumpen“ ebenso wie Lösch-Sprühdosen erst mal außen vor.

 

Wie lässt sich das lösen?

Erstens, diese Sprühdosen sind noch nicht zugelassen in der ASR A2.2, aber es wird an einer Zulassung und Einigung gearbeitet, und es dürfte wohl nur noch eine Frage der Zeit sein.

Zweitens, diese Gerätschaften sind nicht verboten, und das bedeutet, man kann sie heute schon additiv, aber eben noch nicht alternativ zu tragbaren Handfeuerlöschern an Arbeitsstätten zur Verfügung stellen. Darüber hinaus haben diese Lösch-Spraydosen drei weitere Vorteile gegenüber Handfeuerlöschern:

  1. Sie sind meist direkt an den gefährlichen Arbeitsplätzen vorhanden (somit entsteht keine Zeitverzögerung zwischen Brandausbruch und Brandlöschen).
  2. Die Hemmschwelle der Benutzung ist bei brandschutztechnischen Laien geringer.
  3. Anschließend sind Lösch-Spraydosen – im Gegensatz zu Handfeuerlöschern – weiter über Monate und Jahre funktionsfähig.

Handfeuerlöscher sind – wie die Löschspraydosen – dazu gedacht, Entstehungsbrände zu löschen, und ein Entstehungsbrand ist nach ASR A2.2 definiert als ein kleines, wenig rauchendes Feuer, an das man sich ohne Schutzkleidung und ohne Atemschutz noch gefahrlos annähern kann. Das kann ein Papierkorbbrand sein, eine brennende Pfanne oder eine Fritteuse, die sich eben selbst entzündet hat, oder auch ein Adventkranz im Anfangsstadium eines Brands, ausgelöst durch die offene Flamme der Kerze.

 

Einsatzmöglichkeiten

Nun stelle man sich vor, dass man einen solchen Brand im Entstehungsstadium direkt vor oder neben sich erlebt, und man stelle sich weiter vor, dass man binnen Sekunden die in Griffweite stehende Sprühdose anwendet. Fazit wäre, dass das Feuer im Bruchteil einer Sekunde gelöscht wäre. Positive Nebeneffekte: Kein Schaden durch das Löschmittel (etwa wie bei ABC-Pulver), und diese Sprühdose kann in Tagen, Wochen und ggf. Jahren erneut verwendet werden (so man nochmal einen Brand erleben sollte), ohne sie behandeln zu müssen! Auf einigen Dosen stehen die Buchstaben A, B, E und F. Das bedeutet, dass man Feststoffbrände (A), Flüssigkeitsbrände wie Benzin und Wachs (B), Strombrände bis 1.000 Volt (die Klasse „E“ wurde vor über 20 Jahren abgeschafft, aber E steht nach wie vor für Strombrände bis 1.000 Volt) und Speisefette (F) in Pfannen und Fritteusen löschen kann.

Problematik Auto
Spraydosen sollen nicht über 50 °C erhitzt werden, deshalb wird grundsätzlich davon abgeraten, sich diese in den Wagen zu legen – und im Winter bei deutlich unter 0 °C kann das auch zu einer Beschädigung der Dose führen. Bei einem Autobrand wird ohnehin dazu geraten, einen sicheren Abstand zum Fahrzeug einzunehmen und ggf. sich anschließend von diesem jetzt als „unsicher“ einzustufenden Fahrzeug zu trennen.

Problematik Haltbarkeit
Auf jeder Spraydose steht ein Haltbarkeitsdatum, bis zu dem die herstellende Firma garantiert, dass – ordnungsgemäße Aufbewahrung vorausgesetzt – das Mittel seinen Zweck erfüllen wird. Diese Daten sind oft recht knapp bemessen, und es drängt sich der Verdacht auf, dass hier nicht die Sorge der Löscheffektivität im Vordergrund steht, sondern das Ziel, nach bestimmten Zeitabläufen erneut Umsatz zu generieren. Der Autor hat von den ersten Sprühdosen noch einige im Einsatz, und dort stand „Juni 2000“ als Ablaufdatum drauf – die funktionieren aber noch im Jahr 2019 fast so gut wie vor über 20 Jahren! Damit soll gesagt sein: „Mindestens haltbar bis …“ ist nicht gleichzusetzen mit „Völlig unbrauchbar oder gar lebensgefährlich ab …“.

 

Fazit

Löschspraydosen haben ihre Berechtigung und ihren Sinn, sie ergänzen Handfeuerlöscher äußerst effektiv und sollten überall, wo ein Brand entstehen könnte, bereitgestellt werden. In praktisch allen privaten Bereichen sind sie heute schon absolut empfehlenswert, aber noch nicht Pflicht.

Der Autor

Dr.-Ing. Wolfang J. Friedl studierte Brandschutz und Arbeitssicherheit in Wuppertal und ist seit 1986 im In- und Ausland tätig als Sicherheits- und Schadensingenieur, als Brandschutzkonzeptersteller, Gutachter und neutraler Unternehmensberater.

Autorenbild Friedl

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